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Film-Archiv

VON BENOÎT DELÉPINE ZU GUSTAVE KERVERN
VON DON QUICHOTTE ZU LOUISE MICHEL
2003 haben wir für die Sendung Groland auf Canal + eine Mini-Serie namens "Don Quichotte de la révolution" geschrieben und gespielt, die einen alten Don Quichotte auf einem Motorrad und in Begleitung von Sancho Pança als Pizza-Kurier auf einem Moped als Protagonisten hat - beides Charaktere mit viel Schneid und lächerlich zugleich, unterwegs im Kampf gegen die multinationalen Konzerne.
Diese anarchistische, im Vornherein verlorene Schlacht führt sie in einer Episode dazu, den halbseidenen Patron zu verfolgen und zu bestrafen, der den armen Sancho entlassen hat. Die Suche nach einem wahren Verantwortlichen führt sie vom Pizzastand im Quartier La Défense in Paris nach Brüssel und schliesslich ins Steuerparadies Bermudas. In der Schlussszene befindet sich der ohnmächtige Don Quichotte an einem verlassenen Strand, vor ihm ein immenses Schild mit Namen von Firmen, das er mit einer Hacke zerschlägt, irgendwo zwischen Wut und Verzweiflung.

LOUISE HIRES A CONTRACT KILLER
Damals hatten wir bereits das Potential für einen Film in dieser entschieden modernen Geschichte erahnt. Wir waren nicht die Einzigen: der Verlag Danger Public schlug uns spontan vor, daraus ein illustriertes Buch zu machen. Als wir anfingen, an jenem Projekt zu arbeiten, führte uns die Inspiration von einem simplen Remake zu einer anderen Geschichte, die das Drehbuch zu LOUISE-MICHEL werden sollte. Der neue Ausgangspunkt war eine Zeitungsmeldung aus der Region von Angoulême. Ein netter Patron hatte seinen Arbeitern neue Arbeitskleidung spendiert und am darauf folgenden Wochenende alle Maschinen nach Osteuropa transferieren lassen.
Für uns, für die ein Film nicht einfach "billig" und eitel sein konnte, hatten wir das Gerüst für einen neuen Film gefunden, der wie die beiden Vorgänger das Leben der kleinen Leute zeigt, die sich von der grossen Maschinerie nicht überrollen lassen.

VON LIBERTADÀ ZUR VIERGE ROUGE
Unser erster Film "Aaltra", der von zwei Behinderten handelte, die nach Finnland reisen, um Schadenersatz zu fordern, war Libertad le béquillard, einem französischen Anarchisten des 19. Jahrhunderts gewidmet, der sich Gerechtigkeit verschaffte, indem er mit seinen Krücken um sich schlug. Unser Zweitling "Avida", eine surrealistische Fabel, die unsere Gesellschaft vor dem Untergang widerspiegelt, wo "zu reich" und "zu arm" völlig ohne Bezug zueinander sind, war eine Hommage an Häuptling Seattle, dessen berühmter Diskurs die Grundlage für die ökologische und die pazifistische Bewegung war.

LOUISE HIRES A CONTRACT KILLER
Für unseren dritten Film schien uns eine Persönlichkeit perfekt, welche die Symbolik dieser modernen Geschichte perfekt erfüllte: Louise-Michel (http://de.wikipedia.org/wiki/Louise_Michel). Sie wurde "Vierge Rouge" genannt und hat sich zeitlebens für die Schwächsten eingesetzt und nicht gezögert, Waffen in die Hand zu nehmen und ein Attentat gegen Napoleon III anzuzetteln, um, wie sie es selbst formulierte "tausende von Menschenleben zu retten." Louise-Michel war eine Frau von einem Mut jenseits der Norm, welche bis zu ihrem Tod sich der Anarchie und ihrem Kampf gegen die Ungerechtigkeit verschrieben hatte. Es brauchte mindestens zwei Helden, um eine solche Energie und Entschlossenheit zu verkörpern. In dieser Optik schien es uns logisch, dass eine der Helden "Louise" und der andere "Michel" getauft wurde.

VON DER PICARDIE NACH JERSEY
Für den Film musste man, in der Thematik wie im Bild, kraftvoll jenen weltweiten "sozialen Bruch" ausdrücken. Da Benoît aus der Picardie kommt und die Region kennt wie seine Hosentasche, war der Ort der Tragödie schnell gefunden.

LOUISE HIRES A CONTRACT KILLER
VON DER BELGISCHEN SEILSCHAFT ZU KASSOVITZ
Unser erster Film "Aaltra" ist von unserer belgischen Seilschaft produziert worden (La Parti Production). Ein Dreh "mit der Brechstange", Typ eine Kamera und alle in einem kleinen Lastwagen, auf der Fahrt nach Helsinki. Ein schönes Abenteuer als Ebenbild dieses Roadmovies. Die einzige Sorge war, dass sich für den Zweitling "Avida" sogar die Crew fürchtete! Zu ihrer Entlastung muss man sagen, dass sie nicht die einzigen waren. Alle Pariser Produzenten machten nach der Lektüre des nur 40-seitigen Drehbuchs dieselbe Bemerkung: "Schreiben Sie mal, dann diskutieren wir."
Doch der ganze Ehrgeiz dieses Films war eine reine Skizze, wenig Dialog. Und Mysterium war das Allerwichtigste. Für unser Empfinden muss ein Film eine soziale Realität reflektieren und vor allem jene Würde generieren, die dieser eigen ist.

LOUISE HIRES A CONTRACT KILLER
Es ist überflüssig zu sagen, dass ein Drehbuch mit Storyboard die Antithese dieses Postulats ist. Nur Mathieu hat dies verstanden. Nur einen Tag nachdem er das Drehbuch bekommen hatte, schrieb er uns eine SMS: "Das ist wunderbar. Ändert keine Zeile. Treffen wir uns in Cannes! Und das ist effektiv, was passiert ist, wie in einem Tagtraum, - wie in "Avida". Obschon der Stil von "Louise-Michel" ganz anders ist, wer wäre geeigneter gewesen, diesen verrückten, ausgefallenen, aber sehr engagierten Film zu produzieren! Noch einmal haben Benoît Jaubert und er ja gesagt. Ja zum Drehbuch, ja zu einer Carte Blanche während des Drehs, ja zu einem gemeinsamen Gedankenaustausch beim Schnitt und der Vollendung des Films. Immer sehr geistreich und intelligent, niemals eine Zensur, politischer oder wirtschaftlicher Art. Schliesslich haben sie ihre Firma – MNP - nach der russischen Bezeichnung für die Raumstation Mir benannt ...