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Film-Archiv

Ulrich Grossenbacher
Was mich auf die Idee eines Films über Hippies in Indien gebracht hat, sind meine eigenen Erfahrungen als jugendlicher Indienreisender. Ende der 1970er Jahre gelang es mir gerade noch, auf den grossen Indien-Treck aufzuspringen, und in der Folge verbrachte ich längere Zeit auf dem Subkontinent. Dabei versagte ich mir keine der Erfahrungen, Abenteuer, Drogen, Mystik, tiefgründigen Lebensphilosophien, die zur Grundausstattung des damaligen romantischen Aussteigertums gehörten. Ich bewunderte die Travellers, die bereits seit mehr als zehn Jahren unterwegs waren und offensichtlich nicht mehr das geringste Bedürfnis nach der heimatlichen Enge hatten. Ihre manchmal tragischen, des öfteren aber komischen Geschichten faszinierten mich schon damals. In Indien lernte ich den Buddhismus kennen, zuerst als Meditationstrip, wie man sich damals ausdrückte, dann aber zunehmend als eine mein Leben bestimmende Philosophie und Praxis. Der Buddhismus brachte mich später wieder nach Indien zurück, wo ich eine Pilgerreise an die Wirkungsstätten Buddhas unternahm.
Zurück nach Indien bin ich jetzt, um in Erfahrung zu bringen, was aus denjenigen geworden ist, die den Trip durchgezogen haben und in Indien geblieben sind. Dabei interessierte mich in erster Linie, wie diese in ihrer Identität mit dem kulturellen Spagat zwischen Ost und West zu Rande kommen. Durch die Jahre hindurch und nicht zuletzt durch meine Filmpartnerin Damaris Lüthi, eine Ethnologin, bin ich um einiges nüchterner und differenzierter in der Einschätzung des hippiemässigen Aussteigertums geworden. Nach wie vor beeindruckt mich die ernsthafte Suche, die radikale Haltung, aber ich vermag auch den Ego-Trip, das Profiteurentum dieser Leute mit ihren harten Währungen in einem armen Land zu sehen.
Die Indien-Hippies sind eine immer älter werdende Spezies und bald einmal werden sie ausgestorben sein. So verstehe ich mich auch als ein Spurensuchender und Spurensicherer des Aussteigertums der 68er-Generation.

Damaris Lüthi
1995-96 wurde ich als Ethnologin in Südindien von den Einheimischen häufig mit Kritik an den Hippies und anderen westlichen Touristen konfrontiert. Sie verstanden nicht, weshalb aus dem reichen Westen nur anscheinend ärmere Menschen den Weg zu ihnen fanden: spärlich bekleidet und übel riechend. Als dann Ueli die Idee hatte, hängengebliebene, alternde Indienfahrer zu filmen, interessierte mich sofort, diese Gruppe kennenzulernen. Angesichts der Wichtigkeit des Flüchtlings- und Integrationsthemas im europäischen politischen und sozialen Diskurs interessierte mich der Aspekt der "umgekehrten" Migration durch westliche Auswanderer und deren Einordnung in fremde Lebenskontexte. Ich wollte etwas über ihre individuellen Erfahrungen des Reisens, Fremdseins und Sesshaft-Werdens erfahren.

Biografien und Statements der Protagonisten

Robert
Der holländische Kunstmaler Robert (57) lebt seit mehr als 25 Jahren im zentralindischen Hampi. Dorthin entfloh er seinem aufreibenden Leben als Drogendelinquent in Europa. Er fand, wovon er lange geträumt hatte: ein Haus auf einer kleinen Flussinsel, wo er in Ruhe und Frieden malen konnte, dazwischen Vollmondparties mit viel Musik und Drogen. Dort lebte er während vieler Jahre mit seiner einheimischen Lambani-Frau Sita.
Nach ihrem Tod zog er weg in eine bewohntere Gegend und heiratete vor ein paar Jahren zum zweiten Mal eine Lambani-Frau, mit der er heute drei Töchter hat. In einem Grosshaushalt nach indischem Muster mit verschiedenen Verwandten führen sie eine harmonische Ehe und leben vom Verkauf der Gemälde an eine ausländische Kundschaft. Etliche seiner Hippie-Freunde, die in der Nähe lebten, sind in den vergangenen Jahren verstorben, so dass Robert mit seiner jungen Familie fast alleine in der fremden Heimat zurückgeblieben ist.
Indien war für mich eine Art Wiedergeburt.
Das war es wirklich.
Deshalb sagt man »Mutter Indien«.
Ich habe bereits mit dreizehn Marihuana geraucht, deshalb wollten sie mich in der Schule loswerden. Also steckte mich mein Vater in ein Pensionat. Von dort habe ich jeweils den letzten Zug nach Amsterdam genommen, um ein Konzert zu besuchen, und am nächsten Morgen bin ich mit dem ersten Zug wieder zurückgefahren. Deshalb haben sie mich rausgeworfen. Ich bin nach Amsterdam gezogen und später nach Paris. In Amsterdam habe ich mit zwei Freunden eine Wohnung geteilt. Ich weiss nicht, wie wir uns ernährt haben, aber irgendwie sind wir durchgekommen. Es hat damals noch keine Sozialgelder gegeben, und ich habe versucht, kleine Jobs zu machen und auch einzubrechen, kriminell zu werden. Aber das war eine Katastrophe, und ich wurde von der Polizei erwischt. Ich habe immer von dem hier geträumt, einem Haus auf dem Land, wo ich malen könnte.
Der Maler, der mich inspirierte, Landschaften zu malen, war ein wirklicher Meister. Er hat jedoch fünf Jahre in Indien verbracht, ohne ein einziges Bild zu malen. Ich wollte wissen, was er hier sah. Wegen ihm habe ich angefangen zu malen. Ich war Illustrator. Mein Vater war ein bekannter Comics-Künstler und hatte ein Trickfilm-Studio. Er gab mir Jobs und versuchte, mich von der Strasse fernzuhalten.
In Holland gab es damals die "Dykers" und die "Plainers". Die Dykers waren die Presleys und die Plainers die Hippies, die wie ich damals lange Haare hatten. Die Dykers verprügelten gerne die Langhaarigen. Aber das ist alles Vergangenheit. Ich bin ohne Pass herumgereist und habe mehrere Jahre im Gefängnis verbracht wegen Vagabundentums und Drogen. Heute müsstest du deswegen nicht mehr sitzen, aber damals war es immer noch eine grosse Sache zu "rauchen". Das hat mich geformt. Es hat eine Art einsamen Vogel aus mir gemacht. Wenn du rauskommst, bleibst du einsam. Du passt nicht mehr rein.
All das führte zum Entschluss, nach Indien zu gehen. Der Westen war vermodert und abgefuckt. Es gab eine Zeit, als ich schwer heroinabhängig war, und das macht einen sozial auch nicht gerade akzeptabler. Hier in Indien hatte ich nie Probleme. Hier in Hampi waren die Leute immer respektvoll, also fühle ich mich hier besser. Mit dem Heroin hörte ich auf, als ich sah, dass es meine Malerei kaputtmachte.
Ich stehe immer sehr früh auf, um im Morgenlicht arbeiten zu können. Ich unterbreche dann gegen Mittag und arbeite nochmals von drei bis abends um sechs oder sieben. Ich geniesse den Blick aus meinen Atelierfenstern auf das Dorf oder auf die Landschaft. Ich habe schon jeden Blickwinkel mal gemalt. Ich arbeite nie nach Photos, sondern immer nach Modellen oder draussen in der Landschaft. Die Malerei soll der Natur entsprechen, und ich bin frustriert, wenn es mir nicht gelingt.
Eine meiner schönsten Zeiten war 1959-60 in Paris, die Zeit des Cool Jazz. Ich habe in einem Jazzclub gearbeitet und all die Helden wie Miles Davis und Charlie Parker getroffen. Seither spiele ich Sax und habe das Instrument immer bei mir. Ich geniesse es, wenn die Touristensaison kommt und mich Musiker besuchen und mit mir spielen. Ich kann nicht allein. Es befriedigt mich nicht, das Sax einfach so für mich zu spielen. Die Saison beginnt im November, wenn wir den Vollmond feiern, und sie hört im März auf, wenn es heiss wird. Im Winter machen wir vielleicht dreimal pro Monat Musik. Es ist nicht viel, aber es genügt, um die Batterien wieder aufzuladen.

Hanspeter
Hanspeter ("Hampi"), bei anderen Indienfahrern als "Grumpy" ("Griesgram") bekannt, wurde 1954 im schweizerischen Trub (Emmental) geboren. Nachdem er jahrelang wegen Drogenkonsums kriminalisiert und eingesperrt worden war, zog es ihn Mitte der 1970er Jahre zuerst nach Afghanistan und dann ins nordindische Manali. Dort baute er sich ein Leben als Kleinbauer auf.
Heute führt er einen kleinen Bauernbetrieb mit Kühen, Hühnern, Gänsen, Hunden und Katzen. Mit letzteren teilt er auch Wohnung und Bett. Er wandert im Gebirge, geht auf die Jagd nach Fasanen und Tauben, und, wenn er wieder einmal Streit mit seiner Frau hat, zieht es ihn an den Fluss zum Fischen – all dies begleitet vom fast permanenten Rauch seiner mit feinstem einheimischem Gras gestopften Haschpfeifen.
An den Regeln der einheimischen Gesellschaft wenig interessiert, steht Hampi in fast ständigem Konflikt mit den Bewohnern des Bergdorfs. Seine einheimische Frau Babali versucht zwischen den Dörflern und ihrem dickköpfigen Mann zu vermitteln, aber auch sie träumt manchmal davon, in die Fremde zu entfliehen.
Ich bin nicht hier um, um reich zu werden,
ich bin hier, weil ich hier tun kann, was ich will.
Bin hier nicht unter Leistungszwang, nicht wie in der Schweiz. In der Schweiz ist es zuviel des Guten. Man hat dort mehr Luxus und andere Sachen, aber dafür bezahlt man einen Preis und diesen Preis will ich nicht bezahlen.
Viele Leute können meinen Namen nicht aussprechen, deshalb nennen sie mich "MP" [Empi, engl. Member of Parliament] oder "Bär". Ich bin keine nette Person, musst du wissen. Ich kann sehr böse werden; ich bin stark und kann mich wehren.
Meine Frau ist die, die verantwortlich ist für die Öffentlichkeitsarbeit. Meine Frau kann tun und lassen, wie sie will. Sie muss einfach ein wenig arbeiten. Ich habe volles Vertrauen zu ihr. Sie hat die Schlüssel zum Haus. Normalerweise gibt ein Mann seiner Frau die Schlüssel nie. Sie kocht morgens und mittags, und ich koche das Abendessen. Aber wenn sie eine andere Meinung hat als ich, musst du wissen, gilt selbstverständlich immer die meine.
Ich habe die Schweiz mit fünfzehn verlassen. Ich bin nach Afghanistan gereist und dort ein paar Jahre geblieben. Ich komme sogar in einem Film über Drogen vor, wo ich mit langen, Henna-gefärbten Haaren vor einem riesigen Ballen Charas und Heroin stehe. Nach diesem Film habe ich jahrelang Probleme gehabt. In Afghanistan bin ich geblieben, bis der Krieg begonnen hat. Dann bin ich nach Manali gekommen. Von anderen Travellern hatte ich gehört, dass man hier sehr gut fischen könne.
Seit ich von zu Hause weggegangen bin, habe ich meinen Vater nie mehr gesehen. Ich habe auch kein Bedürfnis danach. Als ich ein Kind war, hat er mich jeden Tag geschlagen. Er musste meine Mutter heiraten, weil sie schwanger war, deshalb mochte er mich nie. Bei der Scheidung bin ich sieben gewesen, und ich habe meine Mutter nie mehr gesehen. Mein Vater hat nochmals geheiratet, und ich habe einen Halbbruder und eine Halbschwester. Mit zehn habe ich für meine Geschwister gekocht und bin verantwortlich gewesen für den Bauernhof, während meine Eltern in ihrem Restaurant gearbeitet haben. Ich habe auch Tiere schlachten müssen. Deshalb weiss ich heute sehr gut, wie man das alles macht.
Das Geld, das mein Vater für die Hochzeit gespendet hat, war als Beitrag an den Bau eines Hauses gedacht. Aber meine Frau hat mir geraten, ich solle ein Stück Land damit kaufen. Also haben wir diese Parzelle erstanden, auf der ich jetzt seit zwei Jahren dran bin, ein Haus zu bauen. Ein befreundeter Architekt hat mich beraten, und ich habe selbst auch viel Erfahrung, weil ich zehn Jahre lang jedes Jahr für mehrere Monate in die Schweiz gereist bin und Jurahäuser restauriert habe. Den Rest bringe ich mir aus Büchern selbst bei. Wir bauen einen grossen Stall für zwei Reihen Kühe, mit dem Heu im Geschoss darüber und einem Loch, durch das man nachts das Heu runterwerfen kann. So kann man schnell nackt vom Schlafzimmer rübergehen, ohne gesehen zu werden.
Ich will auch eine Molkerei einrichten. Dort muss es extrem sauber sein, wie im Spital, sonst verdirbt der Käse. Ich will etwas wie einen Appenzeller oder Tilsiter machen; nicht einen Greyerzer, der wäre den Leuten hier zu salzig. Die Molkereiausrüstung besorge ich in der Schweiz. Ich habe bereits eine Exportlizenz, aber noch keine Produktion. Ich werde noch ein paar Jahre brauchen, bis das Haus fertig ist. Wenn es soweit ist, will ich einen Knaben aus Bihar engagieren, der mir morgens und abends auf dem Hof hilft, aber dafür hier zur Schule gehen kann.
Jedesmal wenn ich in der Schweiz bin, habe ich Probleme mit der Polizei. Ich gehe immer nachts schaufensterlen, um zu sehen, was ich kaufen könnte. Ich besuche nicht gerne ein Geschäft ohne zu wissen, was ich genau will. Also studiere ich zuerst die Schaufenster. Aber dann kommt immer sofort die Polizei und stellt Fragen. Sie schauen dann immer im Computer nach, und wenn sie meinen Namen nicht finden, weil ich ja nicht in der Schweiz wohne, werden sie misstrauisch und nehmen mich fest. Einmal bin ich so wütend geworden, als wieder zwei Polizisten kamen, dass ich sie geschlagen habe. Sie haben mich angezeigt wegen Gewalt gegenüber den Behörden, und ich musste vor Gericht. Sie sind sonst immer gegen mich, aber dieser Richter war ausnahmsweise freundlich. Sie haben mir auch vorgeworfen, dass ich "rauche", und dann hat der Richter zurückgefragt, wer denn das heutzutage nicht tue. Ich habe schlussendlich 150 Franken bezahlen müssen, aber die Kosten des Prozesses wurden vom Staat übernommen. Der Richter schlug mir dann vor, ich solle jeweils zuerst bei ihm vorbeisehen, wenn ich in die Schweiz komme, damit er mir einen speziellen Ausweis geben könne.

Meera
Die belgische Asketin Meera (43) lebt seit 18 Jahren im zentralindischen Hampi, wo sie sich auf die Suche nach innerer Freiheit gemacht hat. Von Tag zu Tag schlägt sie sich mit den Almosen ausländischer Gäste durch, die sie im Gegenzug mit spirituellen Anleitungen versorgt. Sie weigert sich, sich einem Guru unterzuordnen, wie dies das indische Muster erfordern würde. Trotzdem wünscht sie sich Anweisung für ihre weitere spirituelle Entwicklung.
Die ersten acht Jahre ihres indischen Lebens wohnte Meera bei einem einheimischen Asketen, von dem sie viel lernte. Nach seinem Tod führte sie mit Hilfe von Dorfbewohnern die notwendigen Bestattungszeremonien durch und setzte das Eremitendasein am selben Ort alleine fort.
Ich habe kein Einkommen und keinerlei Reserven,
lebe von Tag zu Tag.
Der Grund, weshalb ich nach Indien gekommen bin, ist mein Karma. Manche Leute sind zwanzig Jahre lang hier, besuchen Parties, trinken, aber lassen sich nie davon berühren. Für mich ist es mein Schicksal, dass ich von Belgien kommen und so leben musste. Ich habe es nicht in Europa beschlossen. Manchmal denke ich: Was tue ich hier? Das ist meine Lebensweise: Ich habe nichts entschieden, es ist einfach geschehen; ich kämpfe nicht, ich akzeptiere. Ich habe kein Bedürfnis, irgendetwas zu ändern.
Die Leute bringen mir nichts zu essen. Ich kaufe es selbst und koche selbst. Wenn sie sagen, eine Sadhvi dürfe nicht um Geld betteln, sage ich: "Ich weiss, was ich brauche, aber die Leute bringen mir Sachen, die ich nie essen würde. Deshalb gehe ich lieber selbst einkaufen". Ich kaufe Reis, Räucherstäbchen, Milch, Ghee, manchmal Früchte, was ein Luxus ist; nur das Minimum. Wenn du kein Geld hast, hat Geld wirklich eine fühlbare Bedeutung. Es gibt Sadhus, die kein Geld annehmen, aber diese haben ihre Jünger, die es für sie tun.
Ich lebe nun seit 18 Jahren so. Während der ersten sechs Monate war ich Touristin. Danach wollte ich bleiben. Ich habe mich einem Sadhu aus Madras angeschlossen, von dem ich wusste, dass er Kontakt zu Fremden hatte, so dass er leichter zugänglich war. Er hatte sehr dunkle Haut, und die Leute hatten Angst vor ihm. Er hatte einen perfekten Körper, aber er war alt. Er war ein extremer Chillum-Raucher. Wir lebten ziemlich lange in einer Höhle voller Skorpione und Schlangen.
Irgendwann muss der Körper gehen. Nach fünf Jahren starb er; an einem Freitagmorgen im Dezember. Sein Tod war merkwürdig, mit kalten Schwingungen. Es war nicht schmerzvoll, als er ging, weil es nach fünf gemeinsamen Jahren kein Paradies mehr war. Ich kann nicht lange mit Leuten zusammenleben; unser Haus war sehr klein, ohne privaten Raum, um sich zurückziehen zu können, so dass die Beziehung etwas kompliziert wurde. Die Dinge passieren im richtigen Moment.
Man muss diese Leute beerdigen. Sie sind Sanyasins, das heisst, man darf sie nicht kremieren. Sie werden mit Lehm bedeckt. Ich wusste nicht, was tun und fragte die Leute aus dem Dorf. Sie waren sehr hilfsbereit und machten alles. Ich lebte zwei Monate lang in Isolation, und die Leute brachten Geld und gingen für mich einkaufen. Viele Leute dachten, dass ich in meine Heimat zurückkehren würde. Dorfleute kamen und übernachteten hier zu meinem Schutz. Dann kam ein französisches Paar und blieb einen Monat lang. Schliesslich wollte ich wieder allein sein. Ich bin süchtig danach, allein zu leben.
Ich lebe seit 18 Jahren auf demselben Fleck. Ich habe nie etwas verändert. Nur das Grasdach muss ab und zu geflickt werden. Es hat keine Elektrizität, keine Wasserpumpe. Trinkwasser hole ich im Fluss. Ich bin wie eine Schildkröte, so wie man sich vor einem Sadhu posiert, in einer meditativen Stellung mit den Beinen nach innen. Seit 18 Jahren bin ich nie nach Europa zurückgekehrt. Ich habe kein Heimweh, aber es ist eine Pflicht für mich, Kontakt zu meiner Mutter in Brüssel zu haben. Wir schreiben einander mindestens einmal pro Monat.
Ich mische mich nicht in Dorfangelegenheiten ein. Sie haben ihre eigenen, speziellen Regeln, und ich habe kein Recht, mich einzumischen. Ich habe keine Ahnung, was vor sich geht.
Während der Touristensaison habe ich viele Besucher. Sie bringen mir Geld. Sie suchen etwas. Auch Sadhus kommen und gehen. Ich habe einen grossen Hund, der die Leute nicht in die Nähe lässt, wenn er sie nicht riechen kann. Er kennt meinen Geschmack; er lebt schon seit zwölf Jahren mit mir.
Eines Tages würde ich gerne eine Pilgerreise zu den heiligen Orten in Nordindien machen. Das Geld wird irgendwann kommen. Wir wissen, dass wir einmal gehen müssen, bevor wir sterben.
Ich habe nichts zu verlieren: keine Familie, kein Geld, kein Land. Wenn Gott diese Lebensweise nicht will, wird er sie beenden.

Cesare
Cesare aus Italien (anfangs 60) lebt als Sadhu (Asket) und Guru in einem eigenen kleinen Ashram im Hampigebiet. Er kam vor 29 Jahren nach Indien und pilgerte zuerst quer durch den Subkontinent, bevor er sich in Zentralindien niederliess. Sein Weg zur Erleuchtung ist die 24-Stunden-Meditation, die sämtliche alltäglichen Handlungen umfasst. Dazu gehört auch das Rauchen von Ganja (Hasch), womit die spirituelle Vertiefung und die Verbindung mit Gott Shiva erleichtert werden soll. Nach indischem Gesetz ist aus diesem Grund jeder Sadhu berechtigt, bis zu einem Kilo des Krauts auf sich zu tragen. Cesare hat sich so stark in die indische Asketengemeinschaft und das Asketenleben integriert, dass sein ausländischer Ursprung kaum mehr zu erkennen ist.
Ich lebte zwei Jahre unter diesem Baum dort,
dann ein Jahr lang in der Mitte der Felsen dort drüben ...
Shiv, shiv, shiv, shiv ... so verbringen wir hier unsere Zeit;
wir rauchen Dope; es hilft, mit Gott in Beziehung zu treten.
Als ich anfing, als Sadhu zu leben, war alles nur mental, weil ich die Sprache nicht verstand. Ich begann in den Bergen, in Himachal Pradesh, Manikkaran, wo ich zehn Jahre lang lebte. Im Winter zog ich runter in die Ebene. Ich wohnte in einer Höhle mit einem kleinen Tempel, sehr hübsch. Ich gehe immer noch ab und zu hin. Ich gehe mit Gott Shiva. Ich bin sein Diener. Am Anfang bin ich durch Afghanistan, Indien, Pakistan, überallhin gereist, zusammen mit anderen Leuten und zu Fuss. Flüge waren sehr teuer.
Ich wurde in Sizilien geboren und lebte lange in Turin. Ich war dort verheiratet und habe zwei Töchter. Sie sind jetzt erwachsen. Sie waren erst drei, als ich Italien verliess. Es war sehr schwierig, sie wiederzuerkennen, ein Gefühl für sie zu entwickeln, als ich sie letztes Jahr traf. Ich habe auch eine Tochter von einem jungen Mädchen, das lange Zeit hier gelebt hat. Sie ist jetzt sieben. Sie blieben hier, bis sie vier war. Die Frau lebt jetzt wieder in Mailand und hat ein Auto. Ich habe sie letztes Jahr getroffen. Sie kommt aus einer reichen Anwaltsfamilie in Mailand, und nach fünf Jahren im Dschungel war deren Toleranz zuende. Sie war wahrscheinlich auch etwas müde von diesem Leben: Immer Wasser holen müssen im Fluss und so weiter; mit einem Kind ist es etwas schwierig.
Liebe machen ist von Gott erlaubt. Es passiert von selbst. Es gibt andere Yogis, die ebenfalls Kinder haben. Sharada zum Beispiel, oder ein brahmanischer Sadhu, der mit einem deutschen Mädchen verheiratet ist.
Letztes Jahr starb mein Vater, und ich reiste nach Italien. Ich habe immer noch einen italienischen Pass, aber ich wurde Bürger Indiens. Ich habe ein permanentes Visum. Es war kein Problem, wieder in Italien zu sein, weil ja alle meine Verwandten dort sind. Es war viel traumatischer, als ich mal in Amerika war, weil ich dort niemanden kenne.
Wir versuchen, jenseits von Kultur zu sein. Mir ist gleichgültig, in welcher Religion. Gott hat alle Namen. Lateiner haben eine direkte Verbindung zum Sanskritkult und den Hindus, weil Sanskrit zuerst da war. Die Lateiner hatten einen phallischen Kult, Tantra, dann kamen die Christen und sagten: Das ist schlecht.
Jemand hat mir gesagt, ich sei in meinem früheren Leben ein Rishi (Seher) gewesen, der etwas Schlechtes getan habe, deshalb sei ich nach Italien gesandt worden, um dort wiedergeboren zu werden.
Ich bade morgens im Dunkeln. Ich schwimme zur Mitte des Flusses. Danach Puja, ein Chillum rauchen, die Pflanzung bearbeiten, das Gras auf dem Dach flicken und Trinkwasser aus dem Fluss holen. Wir trinken es ungekocht, im Vertrauen zur Mutter Ganga Devi. Wir haben kein Problem mit Wasser, aber mit Malaria. Jeden Tag meditiere ich. Das Körpertraining passiert von selbst. Das Yogi-Asana dauert rund um die Uhr; 24 Stunden stehen, waschen, schlafen, alles. Tee trinken ist wie mit Gott zusammen trinken. Wir rauchen zahllose Chillums pro Tag. Es ist die Disposition der extra-sensorialen Dimension.
Um Sadhu zu werden, brauchst du eine Berufung. Es ist Gottes Arm. Er gibt jedem ein Dharma (religiöse Pflicht). Er gab es auch Jesus Christus. Ich wurde Sadhu, ohne es zu beschliessen. Jetzt hat er mir die Pflicht gegeben, zum Tempel und Ashram zu schauen. Du brauchst nicht ein Brahmane zu sein, um Sadhu werden zu können. Franz von Assisi war auch ein Sadhu. Wenn sie Sadhus werden, verlieren sie ihre Kaste, weil Gott dich ruft. Die Gesetze jedes Sadhus sind "weniger sprechen, weniger essen, weniger schlafen". Sprechen ist etwas, das die Leute brauchen wegen der Konkurrenz; es erhöht die Hitze im Körper.

Erica und Gillian
Die Zwillingsschwestern Erica und Gillian (Mitte 50), Designerinnen aus Südafrika, leben seit 1981 im indischen Goa. Dort haben sie sich nach einer jahrelangen Odyssee durch die Hippiezentren der Welt – Ibizza, Portugal, London, Brasilien – wo sie ihre Hippie-Kleider entwarfen und verkauften, eingefunden. Sie lieben Stoffe, Strände, Partys, Geld und Alkohol. Goa ist ihr Traumort. Die Schwestern führen ein symbiotisches Leben mit stets identischem Outfit, Stimmungen und parallelem Sprechen. Mit blumengeschmückten Haaren wirbeln sie durch das ehemalige Hippie-Paradies und pflegen das Image der ewig-jugendlichen Blumenkinder. Indien als Land ist für sie nicht mehr als eine exotische Kulisse, die Einheimischen interessieren höchstens als Dienstboten.
Mutter ist sehr stolz auf uns.
Alle Mütter sind stolz auf ihre Kinder.
Wir bitten Mutter nicht um Geld, deshalb ... das ist ein Bonus.
Wir kamen am zweiten Januar 1981, als es in London langsam schwierig wurde. Wir erhielten zuerst kein Visum für Indien. Wir gingen an all diese blödsinnigen Orte wie Sri Lanka oder Mauritius, weil wir Südafrikanerinnen sind. Ein Freund von mir, der schon zwanzig Mal rund um die Welt gereist war, ging auf die indische Botschaft und sagte, dass wir heiraten und in die Flitterwochen reisen wollten; dass aber seine Frau einen südafrikanischen Pass habe. Als er sagte, dass wir farbig seien, funktionierte es plötzlich. Zum ersten Mal in unserem Leben war es positiv für uns, nicht weiss zu sein. Nachdem sie unsere Geburtsurkunden gesehen hatten, gaben sie sofort die Visa.
Hier in Goa lebten wir zuerst in Candolim, damals der hübscheste Ort. Wir haben den Ort gemacht. Aber zwei Jahre später war er kaputt. Alle unsere Freunde aus Ibiza kamen damals zu Tito's. Ich hatte eine kleine Boutique dort. Mittlerweile haben diese Leute viel Geld gemacht, und wir gehen nicht mehr hin. Wir sind seit sieben Jahren nicht mehr dort gewesen. Es ist ein Albtraum. Wir waren auch die ersten auf dem Flohmarkt. Später hatten wir einen Laden in Baga. Wir exportieren auch viel. Heute ist auf dem Flohmarkt in Anjuna keine Koordination, keine Liebe, nichts, kein Frieden. Wir gehen seit 25 Jahren hin.
Wir wohnten früher sechs Monate hier, sechs in Ibiza, sechs hier, sechs in Portugal, in der Algarve. Wenn der Monsun kommt, gehen wir. Wir reisen seit 30 Jahren um die Welt, mit unseren Nähmaschinen, wie Zigeuner. Wir haben keine permanente Adresse. Wir lebten 12 Jahre in Ibiza und machten so viel Geld! Wir waren die ersten, die selbstgenähte Kleider verkauften. Nach Ibiza gingen wir zurück nach London, dann Brasilien – hasste es – dann Portugal. Wir reisten diesem portugiesischen Zeugs nach. Aber Brasilien war grauenvoll. Jetzt haben wir unsere permanenten Visa, deshalb bleiben wir hier. Wir leben in Indien, weil wir hier die Stoffe und das Shanti-Leben lieben.
Wir haben unser Leben lang an den schönsten Stränden der Welt verbracht, aber wir können nicht schwimmen. Wenn wir schwimmen könnten, wären wir schlank! Wir schlendern jeden Morgen den Strand entlang und können nicht mal unsere Füsse ins Wasser strecken!
Wir sind aus Cape Town, dem schönsten Ort der Welt. Wir wurden dort geboren, machten Modedesign dort, gingen dort ins Kloster. Wir haben auch philippinisches und spanisches Blut. Mixed Masala. Mutter ist aus Wales. Unsere Eltern wurden dort geboren. Sie hatten sieben Töchter. Wir sind Nummer sechs und sieben, wir sind sieben Minuten auseinander. Sie dachte, sie erwarte einen Jungen, deshalb hatte sie keine Namen für uns und gab uns die Namen unserer Tanten: Gillian und Erica. Vater schuftete die ganze Zeit, Mutter war zu Hause. Vater arbeitete mit 300 Schwarzen. Du musst ihnen jeden Tag sagen, was sie tun sollen. Zementsteine herstellen. Er wurde nie laut und trank nie. Es war kein Geld dafür da. Mutter wollte, dass wir Nonnen werden. Wir waren anglikanisch und besuchten mit einem Onkel einmal pro Woche die katholische Kirche. Mit 13 sagten wir, dass wir ins Kloster wollten. Wir interessierten uns wirklich wahnsinnig für die Kirche. Später konnten wir in die Modedesignerschule eintreten. Wir eröffneten unsere eigene Boutique.
Jeden Abend nach der Schule gingen wir nach Hause, nähten Kleider und verkauften sie, und gerade als wir endlich begannen, Geld zu machen, starb Vater. Er war erst 59. Wir gaben eine Modeschau, und wir machten so viel Geld, dass wir eineinhalb Jahre lang Ferien machen konnten.